Bio ist und bleibt stark durch familiäre Beziehungen

BIO IST UND BLEIBT STARK 
DURCH FAMILÄRE BEZIEHUNGEN 


Die neue „Bio-Denker-Generation“: Mehr Vertrauen - Mehr Offenheit – Mehr Kooperationen 
Ein Interview von Sophie Peper mit Magnus Fischer und Georg Neubauer zum Lebensmittelcamp 2022

Zu den Personen: 

Ein Bild, das Person, Wand, Mann, Im Haus enthält.

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Magnus Fischer, Geschäftsführer von fibra, 
und Mitorganisator des Lebensmittel Camps


 Ein Bild, das Person, Mann, draußen, Backstein enthält.

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Georg Neubauer, Geschäftsführer von blattfrisch 
und Teilnehmer des Camps

 

Ein Interview zweier Menschen mit zwei unterschiedlichen Perspektiven auf die Veranstaltung und einer großen Einigkeit: Was die Bio-Branche braucht, ist die Zuversicht, dass die jetzige Bio-Generation durch Vertrauen und Kooperation die Zukunft konsequent enkeltauglich gestaltet. Bio erfährt derzeit einen Imagewechsel und entpuppt sich aus ihrem alten „Öko“-Kokon. Bio ist modern - doch dieses Umdenken fällt nicht allen leicht.
 

Damit wir nicht K.O. gehen,
brauchen wir:

KOntakt
KOmmunikation
KOoperation


Mit welchen Erwartungen bzw. mit welchem Gefühl seid ihr in das Camp gestartet?

Magnus: Da muss ich kurz ausholen. Denn als ich die Organisation für die Veranstaltung 2020 übernehmen durfte, war es so, dass wir diese kurzfristig wegen Corona absagen mussten. Ein Jahr später, also 2021 lief toll und es kam sehr viel positives Feedback. Daher bin ich für 2022 mit dem Gedanken und Gefühl gestartet, das wird richtig groß. Peu à peu, je näher der Oktober kam, war die Krisenstimmung immer deutlicher spürbar und so kamen immer mehr Absagen - alle aus absolut nachvollziehbaren Gründen. Manche haben gesagt, dass sie kein Budget dafür haben, keine Zeit oder waren auf anderen Veranstaltungen der Bio-Branche. Ich konnte dies alles nachvollziehen aber so zerbröselte mir gefühlt dennoch das Camp zwischen den Fingern. Aber nützte ja nichts und deshalb habe ich meine Gedanken gewandelt zu: „Mal gucken, was das wird“ - und zwar auch aus wirtschaftlicher Sicht des Veranstalters. 

Schlussendlich war es die kleinste Gruppe aller Veranstaltungen. Dennoch hatten wir dieses Mal Akteure aus allen Bereichen der Wertschöpfungskette dabei. Landwirt:innen hatten bis dato nämlich noch nicht teilgenommen. Es war somit einfach sehr familiär.


Georg: Ich bin auf jeden Fall mit einem sehr guten Gefühl gestartet. Alleine schon, weil ich auf der Zugfahrt mit Boris (Voelkel) zusammen saß. Boris und ich hatten zusammen auch einen aktiven Teil während des Camps. Wir haben einen Workshop zum Thema Runde Tische moderiert. 
Meine Erwartung war es vor allem Menschen zu treffen. Menschen, von denen ich wusste, dass sie kommen, aber auch neue Menschen kennenzulernen. Diese Erwartung ist erfüllt worden. 
 

Welche Impulse/Ideen, haben in euch nachhaltig nachgewirkt und warum?

Magnus: Ein Thema, das in mir nachwirkt ist die Frage der Kommunikation. Wie kommunizieren wir z. B. Ökologische plus regenerative Landwirtschaft innerhalb der Bio-Branche aber wie auch an die Konsument:innen? Das ist ein wichtiges Thema, das nicht gelöst ist. Und auch zu sehen wie schwer wir uns tun außerhalb unserer Bio-Bubble nach außen zu kommunizieren, um so Menschen außerhalb der Bio-Bubble zu überzeugen. Das ist eine große Herausforderung.

Ein weiteres Thema das mich sehr geprägt hat, ist der Bereich Start-Ups und Bio-Verbände. Wie passt das eigentlich zusammen? Klassische Bio-Verbände sind auch in einer Rolle, in der sie mit ihrem Angebot attraktiv bleiben müssen. Und auf der anderen Seite gibt es die Start-Ups, die sich fragen „Was soll ich eigentlich bei einem Bio-Verband, der auf den ersten Blick nicht meinen Mehrwert erkennt?“.
Ich glaube, dass genau in dieser Phase beide sehr von einander profitieren könnten. Denn den Start-Ups wird das Leben im Moment gerade wieder schwerer gemacht, neue Regalplätze über eine erste Testlistung hinaus zu behaupten ist meist gar nicht wirtschaftlich möglich. Zu hoch bestimmte Hürden, zu sehr sind die Konditionen auf eine massenhafte Produktion und etablierte Player ausgelegt. Die Bio-Verbände haben Netzwerke, Kontakte und Zugang zu Märkten und Kanälen und müssen gleichzeitig auch attraktiv bleiben und ihr Sortiment auf das was gefragt ist, auch in Krisenzeiten, anpassen. Das können sie mit bestehenden Produzenten meist nicht so schnell umsetzen, da auch gerade große Produzenten nicht schnell umstellen können oder nicht so innovationsgetrieben sind, wie neue Start-Ups. Das wäre eine totale gegenseitige Unterstützung und auch Befruchtung.

Wir sind nicht kleine Nische,
wir sind nicht die Davids gegen Goliath,
sondern wir sind die Lösung.

Gerog Neubauer


Georg: Tatsächlich der Vortrag von Julian Emde (Strategieberater bei Bündnis für klimapositives Verhalten e. V.). Dieser war in sofern interessant, weil er Perspektiven sowie Blickwechsel eingebracht und eben nicht aus der Bio-Perspektive gesprochen hat. Es war z. B. spannend zu sehen, dass auch in großen konventionellen Unternehmen konkret Dinge in Richtung Nachhaltigkeit passieren. 

Sehr interessant empfand ich auch die Impulse von Florian Koch (Mitgründer von Iniciato) und Manuel Pick (Mitorganisator des Camps und selbstständiger Berater). Beide sind große Denker, die zusammen das große Ganze denken können und mit spezifischen Fragen den Horizont erweitern. Dabei ging es vordergründig über das hinaus, was wir in der Bio-Branche und unserer kleinen Blase erleben. Das hat gut getan. 

Weiter ist Kooperation das Stichwort. Nicht als leere Hülle, sondern als etwas, wo sehr klar ist, nur wenn wir Kooperation noch mal neu lernen und auch mal anders greifen, schaffen wir die aktuellen Herausforderungen. Durch eine neue Art der Kooperation, z. B. durch soziale Techniken für ein gesundes Miteinander und Vertrauen kommen wir aus dem Hamsterrad und können die Probleme lösen.
 

Könnt ihr nochmal zusammenfassen, was genau die Mehrwerte aus diesen zwei Tagen waren? Ggf. ganz konkret, was sind die Mehrwerte für den Bio-Handel?

Magnus: Also ich glaube, der Mehrwert dieser Veranstaltung ist definitiv dieses familiäre in der Bio-Branche. Also genau das, was zufällig stärker passiert ist auf dem Camp als ich anfangs gedacht habe.

Dadurch ergab sich die Gelegenheit, wenigen Themen viel Zeit zu widmen und das mit sehr motivierten und sehr interessierten Leuten. Das heißt, man lernt sich sehr gut kennen und hat trotzdem die ganze Wertschöpfungskette mit dabei. So wurde jeder in der Wertschöpfungskette bei den jeweiligen Themen berücksichtig und hat sich einbringen können. Es war am Ende also auch eine extrem gute Netzwerk Veranstaltung für nachhaltige Kontakte. 

Viele der Teilnehmenden haben Impulse aufgenommen, sich zu reflektieren und sich ggf. ein Stückweit neu zu erfinden. Sei es ihre Rolle, Struktur oder Position – Was ist unsere Einzigartigkeit? Was können wir genau bieten? Was können wir auch für die Branche leisten? Wie hat sich unsere Position im Laufe der letzten Jahre und ganz aktuell verändert? Müssen wir uns auch noch mehr als Dienstleister & Verkäufer sehen? Das halte ich für richtig und wertvoll. 


Georg: Eine Art Leitstern, den ich mitgenommen habe ist, das wir und damit meine ich die Bio-Branche aber auch darüber hinaus diejenigen: Wir sind die Lösung. Und das sage ich ganz ohne Arroganz. 

Ich meine damit, dass die Biologische Land- und Lebensmittelwirtschaft alleine durch den Verzicht auf künstliche Düngemittel auf Gentechnologie und mit dem Fokus auf gesunde Böden sowie Artenvielfalt mittlerweile weit im Mainstream angekommen ist. Daraus geht für mich hervor, dass wir mit einem ganz anderen Selbstbewusstsein unterwegs sein können. Also wir sind nicht die kleine Nische, wir sind nicht die Davids gegen Goliath, sondern wir sind die Lösung. 

Es waren so viele verschiedene Menschen aus sehr verschiedenen Richtungen im Camp, die im Prinzip die Veränderung - Die Lösung - in der Welt sein wollen. Es gibt natürlich nicht die eine, das wissen wir, aber Teil der Lösung zu sein, quasi progressiv diese Ernährungswende, voranzubringen. Ich glaube einfach, dass da die große Chance in der Kooperationen liegt. Also wenn jeder für sich und innerhalb seines kleinen Silos und Mikrokosmos bleibt, haben wir keine Chance. Wir müssen zusammen arbeiten. Es ist derzeit so leicht zu verzagen und deshalb brauchen wir solche Begegnungsräume wie das Camp, um mutig zu bleiben. 

 

Interview und Redaktion: Sophie Peper